Schulverwaltung
Durch das föderale Bildungssystem erhalten die kanadischen Provinzen umfassende Entscheidungskompetenzen, was Lerninhalte und Bildungsausgaben betrifft. Auch Daten-erhebungen und -auswertungen spielen dabei eine zentrale Rolle.

Kanada verfügt über föderale Bildungsministerien. Diese entwickeln und kontrollieren die individuellen Curricula in der jeweiligen Provinz. So auch in der westkanadischen Provinz Alberta, die in 63 Schulbezirke unterteilt ist. Schulen, Schulamt und Ministerium sind dort horizontal und vertikal eng miteinander verzahnt. Das zuständige Schulministerium heißt „Alberta Education“ und verantwortet folgende Aufgaben:
- Entwicklung von einheitlichen Curricula und Qualitätsstandards
- Auswertung der Lehrpläne und Bewertung der Ergebnisse aus Leistungstests
- Lehrer:innenfortbildung und -zertifizierung
- Unterstützung und Finanzierung der Schulträger
- Überwachung der Grundbildungspolitik und Vorschriften
- Unterstützung der Schüler:innen mit unterschiedlichen Lernbedürfnissen
Zwischen den Schulen selbst besteht ein hoher Austausch- und Beratungsbedarf. Sechs bis zehn Schulen bilden in Alberta sogenannte „family schools“ und verstehen sich als professionelle Lerngemeinschaften, die meist einmal im Jahr zusammenkommen. Dabei legen sie basierend auf Daten konkrete Ziele und Maßnahmen fest. Grundlage für einen ergebnisoffenen Austausch bildet vor allem das Vertrauen in das gemeinsame, professionelle Arbeiten. Auch auf vertikaler Ebene findet ein solcher Austausch statt. Dieser stellt die Zielvereinbarungen zwischen Ministerium, Schulamt und Schulleitung sicher. Gleichzeitig sorgen diese festen Abläufe und Zusammentreffen dafür, dass alle Akteur:innen stetig im Austausch miteinander stehen, voneinander lernen und sich weiterentwickeln.
Strategische Abstimmung aller Bereiche im kanadischen Schulsystem
Datengestützte Schulentwicklung in Alberta
In Alberta arbeiten die einzelnen Ebenen des Systems ko-konstruktiv zusammen und fühlen sich gleichermaßen für die Erreichung von gemeinsam festgelegten Zielen verantwortlich. Aus der individuellen Entwicklung der Einzelschule wird eine Gemeinschaftsaufgabe für das gesamte System. Datenerhebungen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie bilden die Grundlage für die Zielvereinbarungen, aber auch für wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse. Die Datengewinnung zielt darauf ab, einen Überblick über die Stärken und Schwächen der Schüler:innen in festgelegten Kategorien zu erhalten und mit möglichen Maßnahmen anzusetzen. So können Lehrer:innen durch die gewonnenen Informationen über den Leistungsstand beispielsweise passgenaue Fördermöglichkeiten anstoßen, gezielt mit den Erziehungsberechtigen ins Gespräch kommen oder die Unterrichtsgestaltung entsprechend anpassen.
Erhoben werden unter anderem systemische Daten über den Leistungsstand der Schüler:innen, Schulabschlussquoten und soziodemografische Daten, wie etwa Informationen zur Schülerzufriedenheit, Elternpartizipation oder auch Schulkultur. Doch nicht nur aktuelle Daten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mit jeder neuen Erhebung wird auch ein Blick auf das Vorjahr geworfen und ein Vergleich zum Durchschnitt der letzten drei Jahre vorgenommen. Denn in Kanada werden die Entwicklungsziele sowohl in den Schulen als auch auf Ebene der Schulämter für das aktuelle Jahr sowie die folgenden drei Jahre festgelegt und aufeinander abgestimmt.
Impuls: Wie Kanada mit Daten arbeitet
Dianne Lynn Yee arbeitet derzeit als außerordentliche Professorin an der Western University und unterrichtet Online-Kurse im Rahmen des Doktoratsstudiums für Erziehungswissenschaften. Zuvor war sie als Lehrbeauftrage für verschiedene Universitäten tätig – darunter die University of Calgary und die University of Regina. Im Rahmen ihres Impulses, der aufgezeichnet wurde, gab sie einen Einblick in ihre Arbeit und zeigte auf, wie Daten in Kanada für die Schulentwicklung genutzt werden.
Hinweis: Der Impuls wurde auf Englisch aufgezeichnet. Falls Sie eine deutsche Transkription des Vortrags benötigen, wenden Sie sich gern an unser Team unter lernreise[at]dkjs.de.
Datengestützte Schulentwicklung – ein Überblick
Was in Alberta bereits erfolgreich funktioniert, wird auch in anderen Bildungssystemen bereits berücksichtigt. Doch was bedeutet der Begriff Daten, wie lassen sich diese im Schulalltag erfassen und auswerten und welchen Einfluss haben sie auf Schul- und Unterrichtsentwicklung? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Britta Klopsch. Nachfolgend finden Sie das aufgezeichnete Gespräch.
Impuls: Prof. Dr. Britta Klopsch über datengestützte Schulentwicklung
Daten – ein umfangreicher Begriff
Entsprechend der Fachliteratur lassen sich Daten grob in zwei Kategorien einteilen:
Daten sind keine Kontrollinstrumente. Es geht nicht um die Beurteilung von Personen, sondern um die Qualität von Maßnahmen, Prozessen und Entwicklungen. Sie ermöglichen einen Blick auf verschiedene Ebenen: die Schulebene, die Klassenebene und die Ebene der Schüler:innen. Sie können außerdem aus unterschiedlichen Quellen kommen, z. B. aus (länderübergreifenden) Studien, aber auch von Schüler:innen und deren Eltern. Daten helfen dabei, eine Bestandsaufnahme zu machen, den Ist-Stand zu reflektieren und einen Dialog sowie Verbesserungen anzustoßen. Sie sollten nicht allein, sondern gemeinsam interpretiert werden, beispielsweise in professionellen Lerngemeinschaften oder multiprofessionellen Teams. Daten allein machen jedoch noch keine Schulentwicklung. Vielmehr geht es darum, sich mit den erhobenen Daten auseinanderzusetzen, aus ihnen Informationen zu ziehen und anschließend in Wissen zu übertragen. Erst dann können Erkenntnisse für die Schul- und Unterrichtsentwicklung abgeleitet werden (vgl. Klopsch/Sliwka 2020, S. 65).
Leitfragen zur Erhebung und Nutzung von Daten
Im Rahmen des Programms „LiGa – Lernen im Ganztag“ entstand im Frühjahr 2022 eine Ausgabe der Publikationsreihe Leit-IDEEN zum Thema „Datengestützte Schulentwicklung“. Darin vorgestellt wurden Leitfragen, die dabei helfen sollen, die richtigen Daten zu erfassen und sie für Entwicklungsvorhaben zu nutzen. Nachfolgend haben wir Ihnen die Schritte sowie einen Auszug der Leitfragen aufgeführt:
- Erkenntnisinteresse klären
In welche Richtung bzw. welches Arbeitsfeld möchten wir uns weiterentwickeln?
Welche Fragestellungen sollen vorrangig geklärt werden?
Auf welche konkreten Ziele zahlt das Entwicklungsvorhaben ein? - Datenerhebung vorbereiten
Welche Daten brauchen wir für unser Vorhaben?
Welche Indikatoren legen wir fest?
Welche Daten liegen uns bereits vor?
Welche Daten sind darüber hinaus notwendig – und wie kommen wir zu diesen Daten? - Daten erheben
Wer erhebt konkret welche Daten?
Wer stellt die gesammelten Daten für die Auswertung zusammen? - Daten auswerten und analysieren
Wer ist an der Interpretation der Daten beteiligt?
Wer ist für die Datenanalyse verantwortlich?
Welche Schlussfolgerungen und Erkenntnisse können wir aus der Datenanalyse ziehen? - Maßnahmen planen
Welche konkreten Maßnahmen lassen sich aus der Datenanalyse ableiten?
Welche Maßnahmen können davon sofort realisiert werden?
Welche müssen längerfristig geplant und umgesetzt werden? - Maßnahmen umsetzen
Wer steuert den Prozess und behält den Überblick?
Möchten und können wir regelmäßig den Zwischenstand überprüfen, um ggf. nachzusteuern?
Wie tauschen wir uns über den Stand der Umsetzung aus? - Maßnahmen evaluieren
Was hat sich verändert? Waren unsere Maßnahmen erfolgreich? Welche weiteren Maßnahmen leiten wir daraus ab?
Über den nachfolgenden Button können Sie sich die Leitfragen als Schritt-für-Schritt Anleitung kostenlos downloaden.