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Willkommen im Bildungsforum

Unter der Leitfrage „Wie können Schulleitungen und Leitungsteams dazu beitragen, dass Schule zu einem Ort gelebter Vielfalt wird?“ nimmt diese Lernreise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie eine diversitätsorientierte Personalentwicklung für Schulen in den Blick.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist als deutsches Bundesgesetz am 18.08.06 in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz werden vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz vor Diskriminierung in nationales Recht umgesetzt. Ziel ist es, Benachteiligungen zu verhindern oder beseitigen, die sich einem von sieben Gründen zuschreiben lassen (§ 1 AGG). Dazu zählt unter anderem:

  • Geschlecht: Der Schutz gilt für Frauen, Männer, Trans*Personen und intergeschlechtliche Menschen.
  • sexuelle Identität: Niemand darf aufgrund der sexuellen Identität benachteiligt werden. Der Begriff bezieht sich auf lesbische, schwule, hetero- und bisexuelle sowie asexuelle Menschen.
  • Religion bzw. Weltanschauung: Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung sowie deren Ausübung ist geschützt.
  • eine Behinderung: Menschen gelten als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit dauerhaft eingeschränkt ist und in Wechselwirkung mit Barrieren aus dem sozialen Umfeld die Teilhabe an der Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt sein kann. Auch bei chronischen Erkrankungen können solche Barrieren für die gesellschaftliche Teilhabe entstehen.1
  • Alter: Der Schutz vor Diskriminierung bezieht sich hierbei auf das Lebensalter allgemein. Somit sind Ungleichbehandlungen wegen eines zu jungen oder zu alten Alters untersagt.

Die Aufzählung von Gründen erfasst allerdings nicht alle Merkmale, aufgrund derer Menschen in unserer Gesellschaft diskriminiert werden. So werden beispielsweise auch Diskriminierungen aufgrund der sozialen Herkunft (Klassismus) oder des Aussehens (Lookismus) vom AGG nicht erfasst.

Das AGG im Schulkontext

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) findet im Bereich der öffentlichen schulischen Bildung nur für Beschäftigte (Lehrpersonal, Sozialarbeiter:innen, Erzieher:innen, Referendar:innen und sonstiges Personal) Anwendung. Für Schüler:innen greift der Schutz des AGG nur bei privaten Bildungsträgen, in denen das Bildungsangebot auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages erbracht wird und bei privaten Dienstleistern (z.B. Privatschulen, Nachhilfeeinrichtungen, Volkshochschulen).2

Auch wenn das AGG nicht für Kinder und Jugendliche an öffentlichen Schulen greift, stehen Schulen in der Verantwortung, sich aktiv für die Beseitigung von Diskriminierungen einzusetzen und eine diskriminierungsfreie Bildung für alle Schüler:innen zu ermöglichen. Diese Verantwortung ergibt sich aus dem Landesschulrecht. In fast allen Landesschulgesetzen findet sich ein Recht auf diskriminierungsfreie Bildung, häufig auch ein explizites Diskriminierungsverbot bzw. Fördergebote im Hinblick auf die im AGG genannten Merkmale.

Formen der Diskriminierung

Das AGG beschreibt Diskriminierung als ungleiche Behandlung ohne sachlichen Grund oder als Herabwürdigung wegen eines wesentlichen, nicht oder nur schwer aufgebbaren Identitätsmerkmals der betreffenden Person. Es unterscheidet begrifflich zwischen mittelbarer und unmittelbarer Benachteiligung und schließt damit strukturell bedingte Diskriminierung ein.

  • Unmittelbar oder direkt ist eine Diskriminierung, wenn eine Person aufgrund eines der geschützten Merkmale eine weniger günstige Behandlung als eine Vergleichsperson erfährt. Beispiele hierfür sind Benachteiligungen in der Stellenbesetzung aufgrund eines bestimmten Persönlichkeitsmerkmals oder, wenn eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund automatisch die Verantwortung für die schulinternen Antidiskriminierungsprozesse zugeschrieben bekommt. Auch stereotypisierende Darstellungen in Lernmaterialien werden darunter verstanden.
  • Mittelbare oder indirekte Diskriminierungen sind scheinbar neutrale Verhaltensweisen, Vorschriften und Regelungen, die für alle Personen gelten, sich aber stärker benachteiligend auf bestimmte Gruppen auswirken können. Beispiele im schulischen Kontext sind u. a.: Deutsch als alleinige Bildungssprache, das allgemeine Kopftuchverbot oder die Nichtanerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen.
  • Darüber hinaus werden im Gesetz (sexuelle) Belästigungen erfasst, welche die Würde der betreffenden Person verletzen und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld schaffen. Ebenso ist die Anweisung zur Benachteiligung einer Person untersagt. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn jemand (z.B. eine Leitungskraft) eine Person zu einem Verhalten anweist, das eine andere Person (z.B. eine:n Beschäftigte:n) benachteiligen kann (vgl. § 3 AGG).

Ausnahmeregelungen

Nach dem AGG liegt keine Diskriminierung vor, wenn es einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt. Dazu zählen zum Beispiel spezielle Schutzvorschriften für schwangere Frauen sowie für Kinder und Jugendliche (u. a. Alkohol- und Zigarettenverbot) oder auch sogenannte positive Maßnahmen nach § 5 AGG um bestehende Nachteile zu verhindern oder auszugleichen. Darunter zählen beispielsweise bevorzugte Einstellungsbedingungen und Mentoring-Programme für Menschen mit Migrationshintergrund oder einer Beeinträchtigung. Aber auch Maßnahmen, die zur Beseitigung von diskriminierenden Strukturen innerhalb der Einrichtung beitragen (z. B. eine diversitätssensible Öffentlichkeitsarbeit oder spezielle Diversitytrainings für Mitarbeitende).

Rechte der Arbeitnehmer:innen

Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn sie sich am Arbeitsplatz wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen3. Ergreift der Arbeitgeber keine oder ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen4.

Arbeitnehmer:innen bei einer Benachteiligung ein Anspruch auf Schadenersatz zu. Dieser muss innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um einen individuellen, vor den Arbeitsgerichten einklagbaren Anspruch. Unter bestimmten Voraussetzungen kommen benachteiligten Arbeitnehmer:innen im Prozess Beweiserleichterungen zugute.5

Umsetzung des AGG im Schulkontext

Um Benachteiligungen innerhalb der Schule abzubauen, gilt es zunächst bestehende Diskriminierungen zu identifizieren. Im nächsten Schritt können präventive und intervenierende Maßnahmen erarbeitet und letztlich institutionalisiert werden. Im Folgenden werden verschiedene Handlungsmöglichkeiten vorgestellt. Diese hat die Antidsikriminierungsstelle des Bundes in dem Praxisleitfaden „Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden“ zusammengefasst:

Diskriminierung identifizieren und aufdecken

Um alle an Schule beteiligte Akteur:innen für Diskriminierungen zu sensibilisieren, ist es wichtig zu prüfen, wo es in der Einrichtung zu Diskriminierungen kommt und wie sich diese äußern.

Prävention von Diskriminierung

Sind an der Schule Diskriminierungsrisiken analysiert worden, können im nächsten Schritt präventive Maßnahmen ergriffen werden.

Interventionen bei Diskriminierung

Damit Schulen auf eine mögliche Konfliktsituation reagieren können ist es wichtig, dass sie über klare und transparente Leitlinien zum Umgang mit und zur Intervention bei Diskriminierungen verfügen. Diese dienen dazu, dass Betroffene sich ernstgenommen fühlen, ihnen konkrete Hilfestellung geboten wird und der bestehende Konflikt gelöst wird. Nachfolgende Elemente sollten in solch einer Leitlinie festgehalten werden.

Impuls: Andreas Foitzik über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Andreas Foitzik ist geschäftsführender Vorstand von Adis e. V. und Mitverfasser des Praxisbuchs
Diskriminierungskritische Schule. In seinem Impuls, den er im Rahmen der Lernreise hielt, stellte er das AGG vor. Dabei ging er unter anderem auf die Fragen in, wann es sich laut AGG um eine Diskriminierung handelt und wie sich ein wirksamer Diskriminierungsschutz und eine Kultur der Besprechbarkeit an Schule etablieren lässt.

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Weitere Informationen

Diversitätsorientierte Personalentwicklung

Der Ansatz von Diversität hat zum Ziel, gesellschaftliche Vielfalt als Normalität anzuerkennen, Teilhabe- und Chancengerechtigkeit zu fördern sowie Diskriminierungen abzubauen. Er setzt sich kritisch mit Normalitätsvorstellungen und bestehenden Machtverhältnissen auseinander.

Eine diversitätsorientierte Personalentwicklung dient der Abbildung gesellschaftlicher Vielfalt und unterschiedlicher Lebenslagen und Lebensentwürfe in Organisationen. Ihr Ziel ist es, gleichzeitig Verschiedenheit und Gleichberechtigung zu ermöglichen. Sie ist als Prozess zu verstehen, in dem neue Potenziale erschlossen, vorhandene Potenziale gefördert und Konflikte ernst genommen werden. Sie spiegelt sich in der Organisationskultur, in der Organisationsstruktur und in den Personalprozessen wider.

Organisationskultur und Arbeitsklima

Führungskräfte an Schulen haben die Verantwortung, durch ihr Verhalten den Maßstab für einen wertschätzenden zwischenmenschlichen Umgang zu setzen. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden sorgen sie so für ein Arbeitsklima, das Personen in ihrer Unterschiedlichkeit wahrnimmt, wertschätzt und fördert, das zu Reflexionsprozessen ermutigt und Benachteiligungen entgegenwirkt. Diese Unterschiedlichkeit kann sich z. B. auf Biografien, Sprachen, Aussehen, Diskriminierungserfahrung oder Arbeitsweisen beziehen.

Um über Diskriminierung sprechen zu können, muss zunächst eine gemeinsame Sprache gefunden werden. Diese sollte diversitätssensibel sein, um Diskriminierungen nicht zu (re-) produzieren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine definierte Fehlerkultur. Dazu gehört die Verständigung darüber, welche „Fehler“ als Lernchancen behandelt und wie ein konstruktiver Umgang damit gelingen kann.

Grundlegend für den Abbau von Benachteiligungen ist darüber hinaus eine gemeinsame Wissensgrundlage, die für das Thema sensibilisiert, Reflexionsräume schafft und Handlungsoptionen eröffnet. Für den Umgang mit Konflikten und den Abbau von Benachteiligungen braucht es außerdem eine festgelegte Vorgehensweise, die auch bestehende Machtverhältnisse der beteiligten Parteien berücksichtigt.

Organisationsstruktur

Eine diversitätssensible Personalentwicklung auf Ebene der Organisationsstruktur beinhaltet das Ausloten von bedarfsorientierten Arbeitsformen und –bedingungen auf Grundlage der schulinternen Möglichkeiten. Hierzu zählen beispielsweise

  • eine flexible Gestaltung von Arbeitszeiten und Unterrichtsmethoden,
  • ein barrierefreier Zugang zu Räumlichkeiten und Informationen,
  • schulinterne Gesundheitsangebote für Mitarbeitende,
  • Raum für die Bearbeitung von diversitätssensiblen Themen.

Personalentwicklung

Eine diversitätsorientierte Personalentwicklung fördert Mitarbeitende in der Weiterentwicklung ihrer Potenziale und Kompetenzen. Sie bietet individuelle und bedarfsorientierte Fortbildungen und Begleitung (z. B. Supervisionen oder Mentoring-Programme) an. Alle Mitarbeitende nehmen an qualifizierten Fortbildungen zu den Themen Diversität und Antidiskriminierung teil. Darüber hinaus können beispielsweise Hospitationen helfen, das eigene Verhalten diskriminierungskritisch zu reflektieren.

Vorteile einer diversitätssensiblen Personalentwicklung

Eine diversitätssensible Personalentwicklung trägt dazu bei, die gesellschaftliche Vielfalt sowohl im Klassenzimmer als auch im Kollegium widerzuspiegeln. Sie hilft, alternative Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsansätze zu eröffnen und den Blick auf bestehende Benachteiligungen und vorhandene Potenziale im Kollegium und in der Schüler:innenschaft zu erweitern. Unterschiedliche Kompetenzen und Sichtweisen der Mitarbeitenden tragen dazu bei, Lerninhalte, Unterrichtsmethoden und –materialien diversitätssensibel zu gestalten. Den Herausforderungen, die ein divers aufgestellte Schule mit sich bringt, können besser begegnet werden. So wird beispielsweise ein bewusster und sensibler Umgang mit Konflikten gestärkt. Schüler:innen finden vermehrt ihre individuellen Lebensrealitäten widergespiegelt und erhalten Lehrkräfte als Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können.

Ein wertschätzender Umgang mit Vielfalt bedeutet auch, eine Verbesserung der Arbeitsatmosphäre, des Schul- und Lernklimas und wirkt stresslindernd und gesundheitsförderlich auf das pädagogische Personal ebenso wie auf die Schüler:innenschaft. Es trägt damit zur Verringerung von Schulabstinenz bei.

Wenn sich Individuen im Arbeitskontext mit unterschiedlichen Erfahrungen, Kompetenzen, Begabungen, Prioritäten, Werten, Sicht- und Lebensweisen entfalten können, erhöht dies ihre Zufriedenheit, ihre Motivation, ihre Eigenverantwortung und ihre aktive Mitarbeit. Zudem steigert eine diversitätsorientierte Personalentwicklung die Attraktivität des Arbeitgebers.