Raumgestaltung in Dänemark
Lernumgebungen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Schüler:innen beim Lernen zu motivieren, ihre Neugier zu wecken und aufrechtzuerhalten sowie den Lernprozess zu fördern. Oftmals werden Räume daher auch als „dritte Pädagogen“ betitelt.
Dass ein Klassenzimmer architektonisch und gestalterisch nicht nur auf den Frontalunterricht ausgerichtet sein muss, zeigen Schulen in Dänemark. Flexible Raumkonzepte ermöglichen es Schüler:innen dort, individuell und selbstbestimmt zu lernen. Welche Anforderungen muss ein solcher (Klassen-)Raum erfüllen, um Lernerfolg zu fördern? Dieser Frage gehen verschiedenste Studien nach. Demnach sei vor allem die Akustik und Temperatur sowie eine einladende (Lern-)Atmosphäre von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus spielen auch flexible Elemente in der Architektur und im Design eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen kooperatives und individuelles Lernen und fördern problemlösendes und kreatives Denken. Vorreiter von solch flexiblen und offen gestalteten Lernumgebungen ist Dänemark. Die dort entwickelten und angewandten Konzepte verfolgen das Ziel, Gemeinschaftssinn und Inklusion über Raumgestaltung zu fördern.
Über ein solch flexibles Raumkonzept verfügt etwa die Hellerup Skole bei Kopenhagen. Statt geschlossener Klassenräume lernen die Schüler:innen dort im gesamten Schulgebäude, das sich über drei Etagen erstreckt und über verschiedene Sitzgruppen, Stehtische und informelle Raumelemente wie Sitzkissen oder Sofas verfügt. Zentrales Element ist die Treppe, die Verbindung und Treffpunkt zugleich ist. Der Unterricht an der Gesamtschule ist in kurze, gemeinsame Instruktionsphasen sowie längere Phasen zum projektbezogenen Arbeiten in kleinen Gruppen unterteilt. Dafür finden sich drei bis vier Klassen in Lernzonen, sogenannten „home areas“, zusammen.
Exkursion im Programm „LiGa – Lernen im Ganztag“:
Ein Blick ins dänische Klassenzimmer
Das Programm LiGa – Lernen im Ganztag initiierte im Jahr 2019 eine mehrtägige Exkursion nach Dänemark, an der mehrere Schulleitungen, Schulrät:innen und Mitarbeitende der Ministerien teilnahmen. Im Fokus stand dabei das Thema Raumgestaltung. Dazu reisten die Teilnehmenden in die dänische Stadt Aarhus und lernten drei Schulen sowie mehrere Bildungsexpert:innen der kommunalen Verwaltung kennen.
Räume zum individualisierten Lernen
Kleine Räume, große Flexibilität: Die besuchten Schulen unterschieden sich in der Raumgestaltung stark von den in Deutschland gängigen Klassenzimmern. Statt abgezählter Tische und Stühle für alle Schüler:innen, erkannten die Teilnehmenden, dass es auch anders gehen kann. Individualisiertes Lernen erfolgt hier über kleine Räume mit nur wenigen Tischen – und vielen Hockern. Nur während einer Vermittlungsphase, die 15 bis 20 Minuten andauert, halten sich die Schüler:innen in dem Raum auf. Anschließend suchen sie sich eigenständig Orte zum Lernen. Dafür gibt es im Schulgebäude verschiedene Lernsettings, zum Beispiel Sitzgruppen mit Sesseln, hohe Tische mit Barhockern oder eine bestuhlte Sonnenterrasse. Weitere Aspekte, die der Reisegruppe in Hinblick auf die Raumgestaltung auffielen:
- Offene und transparente Räumlichkeiten, die durch viel Glas bestechen und weite Blicke in das Gebäude ermöglichen
- Farben und Licht, u.a. durch Stehlampen, Strahler und Leselampen
- Rückzugsmöglichkeiten in Form von bequemen Ecken und Nischen
- Verschiedene Geräte, Stangen, herabhängende Seile und Muster auf dem Boden, die zum Hüpfen, Klettern o.ä. animieren
Innovative Konzepte für besondere Lernumgebungen:
Rosan Bosch Studio
Die dänische Design-Agentur Rosan Bosch Studio gestaltet Schulen und Räume, die Schüler:innen eine Vielzahl an unterschiedlichen Lernsituationen bieten – angepasst an ihre Bedürfnisse. Fernab der üblichen Klassenzimmer sind die Entwürfe der Agentur geprägt von multifunktionalen Lernbereichen, einer farbenfrohen Ausstattung, Gemeinschaftsräumen und verschiedenen Rückzugsmöglichkeiten.
Motivation ist der Schlüssel zum Lernerfolg
Das Rosan Bosch Studio setzt bei der Planung und Umsetzung von Lernräumen auf partizipative Formate, um im Design sowohl die Schulorganisation als auch Pädagogik zu berücksichtigen. Auch die Bedürfnisse der Lehrenden und Lernenden fließen dabei mit ein. Aus diesem Grund werden Schulleitungen angeregt, ihre Schulstrukturen zu reflektieren, während Schüler:innen dazu befragt werden, was sie sich von ihrer Lernumgebung wünschen. Bei der Gestaltung der Lernsettings wird ihre Lernerfahrung in den Mittelpunkt gestellt. Um dies zu gewährleisten, hat die Agentur sechs Prinzipien entwickelt, die bei der Gestaltung von Lernumgebungen berücksichtigt werden sollten. Dargestellt durch eine Metapher, deckt jedes Prinzip drei Aspekte ab: Pädagogik bzw. konkrete Lernsituation, Organisation des schulischen Alltags und Design des Bildungsraums.
Die sechs Schlüssel-Prinzipien von Rosan Bosch Studio1
- Mountaintop (Berggipfel)
Dabei handelt es sich um eine Lernsituation, die eine klassische Einweg-Kommunikation – wie Vorträge oder Reden von Lehrkräften oder Schüler:innen – zu Gruppen unterstützt. Die Umgebung und Akustik werden dabei auf die Anforderungen ausgerichtet. So können etwa teppichbezogene Treppenstufen eine theaterähnliche Atmosphäre mit Freiraum zum Sprechen schaffen.
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Cave (Höhle)
Dieses Lernsetting unterstützt das konzentrierte individualisierte Lernen. Durch die Ausgestaltung verschiedener Rückzugsmöglichkeiten können individuelle Ansprüche an eine konzentrationsfördernde Lernumgebung berücksichtigt werden. Die Schüler:innen sind dabei “geschützt” vor den Blicken anderer, können sich aber dennoch einen Überblick über das Gesamtgeschehen verschaffen.
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Campfire (Lagerfeuer)
Beim Campfire handelt es sich um eine Metapher für das Arbeiten im Team. Dialogfördernde Räume ermöglichen dabei Gruppensituationen, die sinnbildlich eine Lagerfeueratmosphäre schaffen – u.a. durch Möbelstücke, die je nach Bedarf der Gruppenmitglieder anpassbar sind.
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Watering Hole (Wasserstelle)
In dieser Lernumgebung treffen Schüler:innen aufeinander und haben die Möglichkeit sich auszutauschen, zum Beispiel während der Pausen. Diese Bereiche ermöglichen eine zwanglose Atmosphäre, den informellen Dialog und Wissensaustausch, sodass Kreativität und Innovation gefördert werden.
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Hands On (Praxis)
Dieses Lernsetting muss nicht zwingend ein eigener Bereich sein, sondern kann auch in andere Lernsituationen integriert werden. Schüler:innen erhalten hier die Möglichkeit, praktische Tätigkeiten zu lernen. Das können eigens geschaffene Kunsträume, Tonstudios oder Labore sein.
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Movement (Bewegung)
Dieses Prinzip geht auf das Bedürfnis junger Menschen nach Bewegung ein. Indem Bereiche geschaffen werden, die körperliche Bewegung wie Rennen oder Springen möglich machen, können sich Schüler:innen auspowern, um danach wieder besser zu lernen. Manchmal können dies auch Aktivitäten sein, die direkt mit dem Lernen zusammenhängen. Diese Räume sind jedoch nicht zu verwechseln mit der klassischen Sporthalle oder dem Gymnastikraum.